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Sturz nach Magenspiegelung: 1.000 Euro

20.01.2023

Nach der Magenspiegelung wurde er von einer Praxismitarbeiterin in den Aufwachraum geführt und dort auf eine Liege gelegt. Die vor dem Aufwachraum wartende Ehefrau beobachtete, dass die Praxismitarbeiterin den Aufwachraum verließ. Kurze Zeit später hörte sie einen dumpfen Knall. Der Mandant war unbeaufsichtigt aufgestanden und gestürzt. Er zog sich durch den Sturz eine Schädelprellung, eine Halswirbelprellung, mehrere Weichteilverletzungen auf dem Nasenrücken, eine Weichteilverletzung an der Stirn links, der linken Wange, der linken Oberlippe zu. Er brach sich durch den Aufprall auf den Boden einen Stiftzahn im rechten Oberkiefer ab. Die ausgeschlagene Zahnkrone musste beim Zahnarzt wieder festgeklebt werden.

Ich hatte dem behandelnden Arzt vorgeworfen, seinen Patienten trotz der verabreichten Sedierung nicht hinreichend überwacht zu haben. Bei der Verabreichung von Midazolam sei die Möglichkeit des Gedächtnisverlustes vorhanden. Zusätzlich könne es immer zu unbeabsichtigten Spätfolgen des Medikamentes mit Bewusstseinstrübung kommen. Es müssten daher die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz des Patienten getroffen werden. Wäre die Mitarbeiterin des Arztes die gesamte Zeit im Aufwachraum geblieben, hätte sie den Patienten daran hindern können, aufzustehen. Außerdem sei das Bettgitter im konkreten Fall nicht geeignet gewesen, den von Midazolam beeinträchtigten Patienten am Aufstehen zu hindern. Midazolam führe zu spontanen Handlungen, weil die Einsichtsfähigkeit eingeschränkt sei und sich der Patient an die vorherigen Aufklärungen nicht erinnern könne.

Der gerichtliche Sachverständige hatte bestätigt: Die Überwachung des Patienten nach der Verbringung in den Aufwachraum sei nicht leitliniengerecht und nicht ausreichend gewesen. Verwirrtheitszustände nach Gabe von Midazolam seien keine Seltenheit. Es seien paradoxe Reaktionen auf die Gabe von Midazolam bekannt, welche sich durch Unruhe, Desorientiertheit oder Aggressivität auszeichneten. In allen Leitlinien der zuständigen Fachgesellschaft, welche für die stationäre und ambulante Therapie gelten würden, werde darauf hingewiesen, dass ein sedierter Patient im Aufwachraum lückenlos von einer anwesenden geschulten Person überwacht werden müsse. Das Verlassen des Raumes - nur für wenige Minuten -, auch wenn der Patient zu schlafen scheine, sei fehlerhaft. Der Sturz eines sedierten Patienten stelle immer das höchste Risiko einer derartigen Behandlung dar. Ein sedierter Patient müsse lückenlos überwacht werden. Der Arzt könne auch nicht darauf vertrauen, dass eine Überwachung nicht notwendig sei, weil es bei einer vorangegangenen Sedierung anlässlich einer Darmspiegelung keinerlei Auffälligkeiten gegeben habe. Dies sei keine Sicherheit dafür, dass es bei dem zweiten Eingriff genauso unproblematisch verlaufen würde.

Nach Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens konnte sich das Gericht allerdings nur davon überzeugen, dass der Patient eine Schädelprellung, eine Halswirbelsäulenprellung, mehrere Weichteilverletzungen auf dem Nasenrücken, der Stirn links, der linken Wange und der linken Oberlippe erlitten habe. Ebenso habe er sich den Stiftzahn abgebrochen. Die vom Kläger behauptete traumatische Schädigung der Halswirbelsäule war vom gerichtlichen Sachverständigen zurückgewiesen worden. Hierbei handele es sich um Vorschäden, die unfallunabhängig seien. Das Gericht hielt deshalb ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro für angemessen.

(Landgericht Dortmund, Urteil vom 08.12.2022, AZ: 12 S 3/21; Amtsgericht Unna, Urteil vom 26.05.2021, AZ; 15 C 9/18)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht

 
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