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Entschädigung nach ärztlichem Behandlungsfehler

28.02.2012

Den Kampf gegen den Unterleibskrebs konnte Margarete R. vor 23 Jahren gewinnen. Noch heute leidet die Mandantin aber an den Folgen der fehlerhaft durchgeführten Strahlentherapie: Sie kann sich kaum noch bücken, ihre Wirbelsäule ist durch die fehlerhafte Bestrahlung schwerst beschädigt. Untersuchungen ergaben, dass auch ihre Organe, unter anderem die Blase in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Heute ist Margarete R. inkontinent. Das eingeholte gerichtliche Gutachten bestätigte die Vorwürfe der Patientin. Die damalige Bestrahlung habe weder im Umfang noch in Art und Dosis dem Standard des Jahres 1983 entsprochen. Selbst der Intimbereich mit einem grotesk vorgewölbten Venushügel der Patientin sei seit den Bestrahlungen völlig gefühllos. Diese Veränderungen seien als sekundäre Strahlenfolgen zu verstehen, so der Sachverständige.

Margarete R. entschloss sich mit mir zur Klage gegen den Arzt und hatte Erfolg: Nachdem Sie Klage vor dem Landgericht in Dortmund auf Zahlung von Schmerzensgeld erhoben hatte, verglich sich die Haftpflichtversicherung des Arztes im Dezember 2006 mit der Patientin. Margarete R. erhielt für ihr Leid einen Gesamtbetrag in Höhe von 150.000 Euro, 22 Jahre nach dem groben Behandlungsfehler des Arztes. In diesem Vergleich wurden neben dem Schmerzensgeld die Pflegekosten und die Kosten, die dadurch entstehen, dass die Geschädigte ihren Haushalt nicht mehr selbst alleine führen kann, reguliert.

Der Fall  zeigt, dass Patienten vor deutschen Gerichten erhebliche Schadensersatzansprüche gegenüber dem Arzt durchsetzen können. Dies kann auch die 1952 geborene Mandantin bestätigen, die sich im Jahre 2001 einer Bauchoperation unterziehen musste. Bei dieser Operation vergaß der Oberarzt eine rund 12 cm lange und fast 7 cm breite Stahlklemme (mit Form einer Schere) im Unterbauch. Diese wurde erst 2,5 Jahre später zufällig entdeckt und entfernt. In dieser Zeit litt die Patientin unter erheblichen Schmerzen und bekam Depressionen aufgrund der Verharmlosung ihrer Probleme seitens der Ärzte. Vor dem Landgericht Hagen zeigte sich die Versicherung bereit, einen Betrag in Höhe von 50.000 Euro zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche der Klägerin zu zahlen (LG Hagen, Vergleich vom 28.04.2007,  AZ: 8 O 130/04).

Eine 1942 geborene Patientin, die aufgrund eines Behandlungsfehlers nach einer Wirbelsäulenoperation querschnittsgelähmt war, erhielt bereits im Jahre 1998 einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 306.775,13  Euro. Die Geschädigte leidet heute noch unter einer Blasen- und Mastdarmlähmung, musste zahlreiche Nachoperationen über sich ergehen lassen und ist ein Schwerstpflegefall (LG Kassel, Urteil vom 06.04.1998, AZ:  3 O 1409/97).

In einem weiteren Fall sprachen die Richter einem 1996 geborenen Jungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 120.000 Euro zu. Der Gynäkologe hatte einen Fehler während der Entbindung des Kindes gemacht. Da das Kind unter erheblichem Sauerstoffmangel litt, wurde sein Gehirn schwer geschädigt. Der heute 11-jährige ist lernbehindert, sein Intelligenzquotient ist erheblich herabgesetzt. Zudem leidet er unter Störungen seiner Fein- und Grobmotorik sowie der Koordination (LG Hagen, Urteil vom 22.12.2005, AZ: 9 O 41/01).

Häufig lassen sich Körperschäden nach einem ärztlichen Behandlungsfehler auch durch Vergleich für den geschädigten Patienten angemessen regulieren: Dietmar R. war im Oktober 1999 ein künstliches Kniegelenk im linken Bein eingesetzt worden. Während dieser Operation verkleinerte der Arzt behandlungsfehlerhaft die linke Kniescheibe. Trotz mehrfacher Folgeoperationen blieb das linke Kniegelenk instabil. Dietmar R. leidet seitdem unter erheblicher Gangunsicherheit und Schmerzen im linken Bein. Der geschädigte Patient verglich sich nach anwaltlicher Beratung vor dem Landgericht Bochum auf einen Schadensersatzbetrag von 60.000 Euro (LG Bochum, Vergleich vom 29.03.2006, AZ: 6 O 373/04).

Wegen starker Nackenschmerzen suchte eine junge Mutter im Jahre 2004 ihren Orthopäden auf. Dieser setzte ihr eine Spritze in den Nacken. Er durchstieß dabei behandlungsfehlerhaft das Brustfell, so dass die Lunge zusammenfiel. Die Patientin erlitt einen sogenannten "Pneumothorax". Sie musste stationär vom 23.09.2004 bis 03.10.2004 behandelt werden, war während dieser Zeit auch zu 100 % arbeitsunfähig. Die Versicherung zahlte außergerichtlich zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche 2006 einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 9.000 Euro.

Wichtig bei der Durchsetzung von Schmerzensgeldansprüchen sind im Falle eines Behandlungsfehlers nicht nur die objektiven Verletzungen des Patienten. Die Aufgabe des Patientenanwaltes zur Begründung der Schmerzensgeldhöhe liegt darin, dem Richter alle Fakten mitzuteilen, die dieser für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe benötigt. Zu schildern sind nicht nur die körperlichen, sondern auch seelische Schmerzen. Häufig wird seitens der Opfer viel zu wenig berichtet, welches Leid sie tatsächlich erlitten haben. Der geschädigte Patient muss im Prozess selbst zu Wort kommen, um seine erlittenen Schmerzen zu schildern. Hat er vor Schmerzen geschrien, ist er mehrfach schmerzbedingt bewusstlos geworden? Operative Verbrennungen, das Einrenken einer ausgekugelten Schulter oder eine nicht erkannte Hodentorsion lösen fürchterliche Schmerzen aus. Nur in den seltensten Fällen ist in Urteilen hierüber etwas zu lesen, weil der Anwalt des Patienten vergisst, hierzu vorzutragen. Häufig leidet ein Geschädigter lebenslang unter Schmerzen. Dazu gehört beispielsweise auch ein Tinnitus, für den ein hohes Schmerzensgeld seitens der Gerichte zuerkannt wird.

Zukunftssorgen und Existenzängste, Störung des seelischen Gleichgewichtes bei zu erwartender Hilflosigkeit bis ans Lebensende sind Umstände, die ein Schmerzensgeld deutlich erhöhen. Beeinträchtigungen beim Sport, Zerbrechen der Ehe, Angst vor weiteren medizinischen Eingriffen, lange Krankenhausaufenthalte mit allen damit verbundenen Nachteilen müssen dem Gericht mitgeteilt werden, da sie sich erheblich auf die Höhe des Schmerzensgeldes auswirken. Ebenso bleibt nach Abschluss der Behandlung körperliches und seelisches Leid bei Verlust von Organen, Körperbehinderungen oder dauernden Entstellungen zurück. Der Patient sollte sich nicht scheuen, die Schwere der Verunstaltung und ihre Sichtbarkeit unter Beweis zu stellen.

Auch bei misslungenen Schönheitsoperationen kann der Geschädigte mit erheblichen Schmerzensgeldern rechnen. So zahlte die Versicherung einer Schönheitsklinik, die bei einer Fettabsaugung den Dünndarm meiner Mandantin verletzt hatte, 25.000 Euro zur Abfindung sämtlicher Ansprüche der Patientin. Bei der Fehlbehandlung hatte die 62-jährige Patientin eine lebensgefährliche Bauchfellentzündung erlitten und musste sich 4 Folgeoperationen unterziehen. Ihr Ober- und Unterbauch war durch die zahlreichen intensivmedizinischen Eingriffe verunstaltet (LG Dortmund, Vergleich vom 31.10.2006, AZ: 4 O 212/03).

Eine 32-jährige Patientin erhielt wegen einer fehlerhaften Fettabsaugung am Bauch 8.000 Euro zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche. Der Operateur hatte das Fettgewebe im unteren Drittel des Bauches unregelmäßig abgesaugt, so dass eine ausgeprägte Dellenbildung im Ober- und Unterbauch zurückblieb (OLG Hamm, Vergleich vom 03.07.2006, AZ: 3 U 10/03).

Ebenfalls 8.000 Euro erhielt eine Patientin nach behandlungsfehlerhafter Fettabsaugung an Bauch, Hüfte, Taille, Oberschenkel. Der Schönheitschirurg hatte bei der 45-jährigen Patientin zuviel an den Knieinnenseiten abgesaugt. Es verblieb eine komplette Entfettung der Knieinnenseiten mit Verwachsungen der Hautoberfläche mit der Muskulatur. An den Oberschenkeln fanden sich sichtbare, verunstaltende Löcher und Dellen. Im Bauchbereich führte die übermäßige Fettabsaugung ebenfalls zu tastbaren Dellen mit Verhärtungen. (LG Dortmund, Urteil vom 25.10.2005, AZ: 4 O 25/03).

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht

 
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