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Chefarzt bei OP im Urlaub: 20.000 Euro

24.06.2019

Der 1947 geborenen Rentnerin musste wegen eines Abszesses die rechte Niere entfernt werden. Vor der Operation unterschrieb sie eine Wahlleistungsvereinbarung, wonach sie der Chefarzt der Urologischen Klinik persönlich operieren sollte. Dieser befand sich allerdings geplant für 10 Tage im Urlaub. Bei der Entfernung der Niere kam es zum Einreißen der Leber und des Dickdarmes. Die Risse an der Leber mussten übernäht werden, der beschädige Teil des Darmes wurde entfernt. Nach der Operation kam es zu Wundheilungsstörungen, die zahlreiche Nachoperationen erforderlich machten.

Der urologische Sachverständige hatte bestätigt: Die Verletzung von Leber und Darm sei eine schicksalshafte Komplikation wegen der bestehenden schwersten entzündlichen Verwachsungen.

Das Gericht ist allerdings meiner Auffassung gefolgt, dass die OP rechtswidrig war, weil die Klägerin nur in eine OP durch den Chefarzt eingewilligt habe. Operiert worden sei sie jedoch von zwei anderen Ärzten. Die Klägerin habe eine Wahlleistungsvereinbarung unterschrieben, wonach sie vom Chefarzt operiert werden sollte. Ein Patient schließe eine solche Wahlleistungsvereinbarung im Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die besondere Kompetenz des von ihm ausgewählten Arztes. Dieser müsse deshalb selbst operieren (BGH, Urteil vom 20.12.2007, AZ: III ZR 144/07, juris, Rdn. 7).

Zwar darf ein Chefarzt bei seiner Verhinderung die OP auf einen Stellvertreter übertragen. Voraussetzung sei jedoch, dass er eine entsprechende Vereinbarung mit dem Patienten darüber getroffen habe. Das ergäbe sich allerdings nicht aus der Wahlleistungsvereinbarung. Eine derartige Vertreterregelung in einer Wahlleistungsvereinbarung wäre ohnehin nur wirksam, wenn sie sich auf die Fälle unvorhergesehener Verhinderung beschränke.

Dieser Fall läge aber nicht vor: Unstreitig habe sich der Chefarzt bereits bei Unterzeichnung der Wahlleistungsvereinbarung im Urlaub befunden. Dies sei eine vorhersehbare Verhinderung. Das habe man der Patientin aber nicht mitgeteilt. Damit sei klar gewesen, dass die Operation während seines Urlaubs stattfinden würde. Auf die Frage der hypothetischen Einwilligung komme es nicht an, da der Einwand vom Krankenhaus nicht erhoben worden sei. Unabhängig davon sei dieser Einwand bei einer Wahlleistungsvereinbarung nicht zuzulassen (BGH, Urteil vom 19.07.2016, AZ: VI ZR 75/15?=?VersR 2016, 1191).

Obwohl die Operation deshalb nach dem Facharztstandard durchgeführt wurde, war sie rechtswidrig. Die Operateure und das Krankenhaus hafteten deshalb für sämtliche Folgen dieser Operation. Zu entschädigen seien die Verletzung von Leber und Darm sowie insgesamt fünf Folgeoperationen. Die Kammer hat ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro für angemessen und ausreichend gehalten.

(Landgericht Dortmund, Urteil vom 26.04.2018, AZ: 4 O 239/14)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht

 

 
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