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Glatteisunfall: 7.000 Euro

25.01.2024

Um den Kreisverkehr zu passieren, hatte sie vor, vom Bürgersteig über den Zebrastreifen am Kreisverkehr über die Straße zu gehen. Als die Mandantin vorsichtig über den Zebrastreifen ging, rutschte sie mit dem linken Fuß über eine schneebedeckte Eisschicht aus, verdrehte sich das linke Sprunggelenk und stürzte. Der herbeigerufene Rettungswagen verbrachte die Mandantin umgehend ins  Krankenhaus, wo eine Bimalleolarfraktur links, eine traumatische Ruptur der Bänder in Höhe des oberen Sprunggelenkes und des linken Fußes festgestellt wurde. Die Mandantin musste operativ mit einer Platte am Schienbein sowie einer Schraubenosteosynthese im Volkmann'schen Dreieck mit Stellschrauben versorgt werden.

Ich hatte ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000 Euro geltend gemacht und die Feststellung beantragt, dass die beklagte Stadt für alle Zukunftsschäden zu haften habe.

Der Stadt hatte ich vorgeworfen, spätestens ab 7.00 Uhr am Unfalltag nicht ihrer Räumungspflicht nachgekommen zu sein. Die Mandantin könne als Bürgerin verlangen, dass Kommunen die Voraussetzungen schaffen, in ihrem Gemeindegebiet die Winterdienstverpflichtung wahrzunehmen. Der Winterdienst sei so zu organisieren, dass mit Beginn des Hauptberufsverkehrs, in der Regel zwischen 7.00 Uhr und 8.00 Uhr morgens, Streumaßnahmen ausreichend getroffen würden. Ich hatte gerügt, dass nicht mit ausreichendem Streumaterial die Straße, insbesondere auch der Zebrastreifen, abgestreut gewesen sei. Hierdurch sei es zu dem schweren Sturz der Mandantin gekommen.

Nachdem das Landgericht Münster die Klage in der ersten Instanz abgewiesen hatte, hat das Oberlandesgericht nach erneuter Beweisaufnahme das Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Der Klägerin stehe aufgrund des Glatteisunfalles ein Schadensersatzanspruch gegen die Stadt gemäß § 839 Absatz 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG, §§ 9, 9 a, 47 StrWG NW, § 1 Straßenreinigungsgesetz NW, zu. Im Berufungsverfahren sei nicht mehr streitig, dass die Klägerin zu der von ihr angegebenen Zeit am angegebenen Ort auf Schnee und Eisglätte gestürzt sei. Das habe sie zudem anschaulich und glaubhaft dem Senat dargestellt. Es stünde zur Überzeugung des Senates fest, dass der Sturz auf einer schuldhaften Verletzung der Beklagten obliegenden Räum- und Streupflicht beruhe. Die Beklagte sei zum Unfallzeitpunkt verpflichtet gewesen, zur Sicherung des Fußgängerverkehrs im Stadtgebiet die Fußwege im Kreisverkehr und auch die Fußgängerüberwege über die Fahrbahnen zu räumen und zu streuen.

Zum Unfallzeitpunkt habe allgemeine Glätte geherrscht. Das Abstreuen der Wege sei unzureichend gewesen. Die Mitarbeiter der Stadt hätten zwischen 5.00 Uhr und 9.00 Uhr zweimal den Gehweg und den Fußgängerüberweg im Kreisverkehr mit einer Streumaschine UKS 120 abgefahren. Dabei sei am Fahrzeug eine Salzmenge von 25 g pro Quadratmeter eingestellt gewesen. Sonstige Räum- und Streumaßnahmen seien nicht erfolgt. Das Abstreuen habe zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht nicht ausgereicht, weil die aufgebrachte Salzmenge bei den damals vorherrschenden Witterungsbedingungen bei weitem nicht ausreichend war und das gebotene Vorgehen mit abstumpfenden Streustoffen wie Splitt, Sand oder Granulat unterlassen worden sei. Das habe der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargestellt. Die ausgebrachte Salzmenge von 25 g pro Quadratmeter habe die Glätte vielmehr noch verschlimmert, weil sich nach dem Antauen eine Wasser-Salz-Lösung gebildet habe. Dadurch sei das angetaute Wasser wieder gefroren und habe die Glättebildung sogar noch verstärkt.

Tatsächlich hätte mit abstumpfenden Streustoffen wirksam gearbeitet werden müssen. Soweit die Stadt behauptet habe, die von ihr beabsichtigte Streuung von Splitt sei deshalb gescheitert, weil der bei ihr vorhandene Splitt wegen der Restfeuchte weder verladetauglich noch streufähig gewesen sei, sei dieser Vortrag verspätet. Dieser Vortrag hätte erstinstanzlich erbracht werden müssen. Der Klägerin falle kein Mitverschulden nach § 254 Absatz 1 BGB zur Last. Es sei nicht allein aufgrund ihres Sturzes anzunehmen, dass sie ihre Sorgfaltspflicht verletzt habe.

Es bestehe kein Anscheinsbeweis, dass ein Fußgänger, der bei Eis und Schnee stürze, die ihm obliegende Sorgfalt missachtet habe. Ihr stünde aufgrund der sturzbedingten Verletzungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 Euro zu. Auch dem Feststellungsantrag der Klägerin sei zu entsprechen. Es stünde außer Frage, dass es infolge der Verletzungen zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Arthrose und weiteren Beeinträchtigungen kommen könne. Dem Feststellungsbegehren sei zu entsprechen, wenn künftige Schadensfolgen - und sei es auch nur entfernt - möglich seien, auch wenn ihr Eintritt noch ungewiss wäre.

(Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 01.12.2023, AZ: I-11 U 32/22; Landgericht Münster, Urteil vom 14.12.2021, AZ: 16 O 173/21)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht und Verkehrsrecht

 
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