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Fehlerhafte Darm-OP: 30.000 Euro

18.08.2022

Bei dem 1955 geborenen Mandanten wurde die Diagnose eines mäßig differenzierten Adenokarzinoms (G2) im Rektum gestellt. Nach einer neoadjuvanten Vorbestrahlung des Darmes erfolgte im Frühjahr 2017 die operative Entfernung des befallenen Rektums. Ein künstlicher Darmausgang wurde nicht angelegt, obwohl der Patient vor der Operation über die Anlage eines künstlichen vorsorglichen Darmausganges (protektives Stoma) aufgeklärt wurde. Nach der Operation bildete sich an der Naht des Darmes ein Abszess. Aus einem ca. 1 cm großen Leck im Rektum floss Darminhalt in den Bauchraum aus. In zahlreichen Notoperationen wurde ein künstlicher Darmausgang angelegt.

Ich hatte den Ärzten vorgeworfen, fehlerhaft bei der ersten Operation des Rektums kein protektives Stoma angelegt zu haben. Im Rahmen der Chirurgie des tiefen Rektumkarzinoms sei ein protektives temporäres Stoma unverzichtbar.

Der gerichtliche Sachverständige hatte bestätigt: Der Verzicht auf ein protektives Stoma in der konkreten Situation des Patienten sei ein Behandlungsfehler und zusammen mit der unterlassenen präoperativen Darmreinigung kausal für die kotige Peritonitis gewesen. Wäre ein protektives Stoma angelegt und die Darmreinigung durchgeführt worden, hätte über die sich postoperativ entwickelnde Darmläsion in der Nähe der Anastomose kein Stuhl ins offene Abdomen fließen können. Dadurch wäre die Peritonitis vermieden worden, weil der Stuhl bei sauberem Darm vor der Läsion über das protektive Stoma abgeflossen wäre. Ebenso hätte die sich anbahnende Peritonitis einen Tag früher behandelt werden müssen.

Das Landgericht hat folgenden Hinweis erteilt: Der Sachverständige bewerte es zusammenfassend als fehlerhaft, dass auf ein protektives Stoma verzichtet worden sei. Die endgültige Entscheidung pro/contra eines Stomas treffe bei Karzinomen in diesem Bereich des Rektums zwar der Operateur. Der Ermessensspielraum des Operateurs sei allerdings aufgrund der zahlreichen, erheblichen Risiken deutlich einzuschränken. Es gebe nur sehr wenige Fälle, in denen eine Stoma-Anlage nicht möglich sei. Ein medizinischer Grund, ein Stoma nicht anzulegen, hätte nur ein nicht zu mobilisierendes Mesenterium des Dünndarms bzw. Colon transversum sein können.

Aus dem Operationsbericht gehe nicht hervor, dass zumindest der Versuch einer Stoma-Anlage unternommen worden wäre. In Kenntnis der schwerstmöglichen Folgen einer Anastomoseninsuffizienz hätte der Operateur im konkreten Fall unter Berücksichtigung des individuellen Risikoprofils ein Stoma setzen müssen. Dieses protektive Stoma hätte früh postoperativ zurückverlagert werden können. Das laparoskopische Vorgehen sei bezüglich der Stoma-Anlage kein Hindernis. Die Probleme der Stoma-Versorgung seien auf die notfallmäßige Anlage im Rahmen der Not-OP zurückzuführen. Diese seien nicht als fehlerhaft anzusehen. Wäre bei der Erstoperation ein protektives Stoma angelegt worden, hätte die Revisionsoperation vermieden werden können. Deshalb seien auch die Probleme der Stoma-Versorgung auf den Behandlungsfehler zurückzuführen.

Die Kammer hielt ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro für angemessen.

(Landgericht Bochum, Vergleichsbeschluss vom 13.07.2022, AZ: I-6 O 30/21)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht

 
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