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Private KV: Kein Vorrang ambulant vor stationär

18.08.2015

Bei einem Streit, ob die bei Ihnen durchgeführte Behandlung notwendig war, ist diese medizinische Notwendigkeit nach objektiven Kriterien durch ein Sachverständigengutachten zu klären. Die Heilbehandlung ist medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiv medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen (vgl. BGH NJW 1996, 3074).

Die Beweislast für diese medizinische Notwendigkeit der Behandlung trägt der Versicherungsnehmer (BGH NJW-RR 2004, 1399; Prölss/Martin, § 192 VVG, Rdn. 61 a).

Bei der Wahl einer stationären oder aber einer ambulanten Behandlung spielen Kostenfaktoren keine Rolle: Das Versicherungsvertragsgesetz differenziert nicht zwischen ambulanter und stationärer Behandlung. Der in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V geltende Grundsatz, dass Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus haben, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre oder ambulante Behandlung, einschließlich häuslicher Krankenpflege, erreicht werden kann, gilt im privaten Versicherungsrecht nicht. Den Vorrang ambulant vor stationär gibt es im VVG nicht (LG Dortmund, Urteil vom 29.06.2006, AZ: 2 S 49/05; LG Dortmund VersR 2011, 1305; Prölss/Martin, VVG, § 192 VVG, Rdn. 73).

Entscheidend ist einzig und allein - vorbehaltlich § 192 Abs. 2 VVG oder einer gesonderten Regelung in Ihren Versicherungsbedingungen - die medizinische Notwendigkeit. Nur wenn feststeht, dass die ambulante Behandlung ebenso geeignet ist, kann der Versicherungsnehmer auf diese ambulante Behandlung verwiesen werden. Hierfür ist allerdings diesmal der Versicherer und nicht der Versicherungsnehmer beweispflichtig (OLG Hamm VersR 1999, 611).

Wenn also das Sachverständigengutachten ergibt, dass die stationäre Heilbehandlung geeignet war, zur Heilung, Besserung, Linderung bzw. Verhinderung der Verschlimmerung einer Krankheit beizutragen, ist von medizinischer Notwendigkeit der stationären Heilbehandlung auszugehen. Der Versicherer muss somit dem Grunde nach zahlen. Ob das gleiche Ergebnis auch ambulant hätte erreicht werden können, ist nach den Musterbedingungen der Krankenversicherungen unerheblich (BGH r + s 2003, 246; Eggert, r + s 2015, 269, (275)).

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht

 
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